Wasserstoff-Experten plädieren für die alternative Nutzung der vorhandenen Infrastruktur

München – Geht es nach dem Willen des Bundeswirtschaftsministeriums, schlägt dem bundesweiten Gasnetz in den nächsten 20 Jahren die letzte Stunde. Die aktuellen Pläne sehen vor, die Infrastruktur bis 2045 um bis zu 90 % zurückzubauen. Das würde das Aus für rund 450.000 Kilometer an Leitungen bedeuten.

Dr. Thomas Klaue, CEO der Münchner Siqens warnt vor dem radikalen Kahlschlag. Er appelliert an das Bundeswirtschaftsministerium, diese Pläne noch einmal sorgfältig zu überdenken und alternative Nutzungsmöglichkeiten ins Auge zu fassen. Der Wasserstoff-Experte plädiert dafür, die vorhandene Gasnetz-Infrastruktur zukünftig für den Transport von grünem Wasserstoff zu nutzen, um die Industrie sowie Gemeinden und Kommune ohne großen Aufwand mit grüner Energie zu versorgen. „Gerade in der aktuellen Transformationsphase ist ja noch nicht einmal klar, welcher Energieträger sich in Zukunft z.B. im Bereich der industriellen Wärme durchsetzt“, so seine Argumentation. „Deshalb wäre es meiner Ansicht nach fatal, einfach eine vorhandene Infrastruktur zurückzubauen, die eine breite Verteilung von H2 ermöglicht.“ Abgesehen davon sei der rigorose Kahlschlag eine Verschwendung von Investitionen und Ressourcen, zumal wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten, dass unser heutiges Gasnetz weitestgehend wasserstofftauglich sei.

Klaue und mit ihm weitere Kenner der Szene glauben zudem nicht dran, dass die deutsche Industrie aktuelle Standorte abbaut und umsiedelt, um dann an das geplante Wasserstoffnetz angebunden zu werden. „Wahrscheinlicher ist, dass Unternehmen bei fehlender Versorgung vor Ort ganz abwandern, was verhängnisvoll für den Wirtschaftsstandort Deutschland wäre“, argumentiert Dr. Klaue.

Sorgfältige Prüfung ist essenziell

Er rät daher davon ab, den Abbau des Gasnetzes und den Aufbau eines Wasserstoff-Transportnetzes zu überstürzen. Stattdessen schlägt er eine parallele Nutzung der vorhandenen Gasleitungen sowie der für den Wasserstofftransport geplanten Leitungswege vor. Bei seinen Überlegungen hat er die Planung und Durchführung der Bauvorhaben ebenso im Blick, wie die Projektkosten und nicht zuletzt den Bedarf der Industrieabnehmer. Vor der endgültigen Entscheidung über die Abrissmaßnahmen empfiehlt er des die Erstellung und Abarbeitung einer Checkliste:

  • Wo sitzt die Industrie?
  • Wie lässt sich der Wasserstoff dorthin transportieren?
  • Welche Leitungen stehen dafür zur Verfügung?
  • Wie lassen sich die wenigen noch nicht wasserstofftauglichen Abschnitte des Gasnetzes wirtschaftlich sinnvoll ertüchtigen

„Das deutsche Gasnetz basiert überwiegend auf Stahlrohren, die problemlos auch für den Transport von Wasserstoff genutzt werden können. Daher steht die Infrastruktur als Speicher- und Transportmedium sowie als Verteilernetz für Wasserstoff unmittelbar zur Verfügung“, so Siqens-CEO Klaue. „Und für die technischen Anwendungen vor Ort stehen heute schon interessante und nutzbare Technologien zur Verfügung, beispielsweise unser patentiertes EHS-Verfahren.“

Die Elektrochemische Wasserstoffseparations-Technologie (EHS) von Siqens ermöglicht die lokale Erzeugung von Wasserstoff in Brennstoffzellenqualität. Dabei wird der Wasserstoff durch Abscheidung aus Erdgas nach dem Transport über die bestehende Gasinfrastruktur gewonnen. Die Siqens EHS-Technologie basiert auf dem Siqens HT-PEM Stack (Hochtemperatur-Polymer-Membran), der serienmäßig auch in den Siqens Ecoport Methanol-Brennstoffzellenmodulen verbaut ist. Der Stack ist bereits seit mehreren Jahren im kommerziellen Einsatz. Im Gegensatz zur Stromerzeugung in den Brennstoffzellensystemen dient der leicht modifizierte Stack beim EHS-Verfahren zur Abscheidung und Reinigung von Wasserstoff aus verschiedenen Gasströmen. Die elektrochemische Wasserstoffseparation ist eine attraktive Alternative zu anderen Wasserstofftechnologien wie der Druckwechseladsorption oder der Membrantrennung, da sie einen relativ geringen Energieverbrauch erfordert und eine hohe Selektivität für Wasserstoff aufweist. Darüber hinaus handelt es sich um eine flexible und skalierbare Technologie, die an ein breites Spektrum von Einsatzgasen angepasst werden kann.

„Unsere Forderung an das Bundeswirtschaftsministerium ist ganz klar: statt mit der Abrissbirne durch das Land zu ziehen und die vorhandene Infrastruktur planlos zu zerstören, bietet es sich an, mit kühlem Kopf die alternativen Nutzungsoptionen zu prüfen“, appelliert Dr. Klaue an die Verantwortlichen. „Das spart Kosten und bringt uns schneller voran zum großflächigen Einsatz von Wasserstoff und damit zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft. Die Verfahren dazu gibt es heute schon.“